Musik vor 1600 - 2014_sose_poennighaus
13. Juni 2014, 13:00 Uhr
Kirstin Pönnighaus M. A.
(Institut für Musikwissenschaft Weimar-Jena)

Die L’homme armé-Melodie und ihre Darstellung
Überlieferung und Variantenbildung in der Frühen Neuzeit

Im Zusammenhang mit den L’homme armé-Messen wird häufig von »der Vorlage« gesprochen, ohne dass berücksichtigt wird, dass es eine (einstimmige) Vorlage gar nicht gibt und die Melodie immer nur im polyphonen Kontext überliefert wurde. Die einzige Quelle, die eine vollständige Melodie-Version mit Text überliefert, ist das neapolitanische Manuskript MS VI E 40. Dragan Plamenac, der das besagte Manuskript 1925 entdeckte, vermutete, dass es eine frühere, mehrstimmige Version geben müsse. Die Entdeckung der dreistimmigen Doppelchanson »Il sera par vous/L’homme armé« (Mellon Chansonier fol. 44v und 45r) und ihrer vierstimmigen, untextierten Fassung (Casatanense MS 2856 fol. 156v und 157r) gilt oftmals als Bestätigung dieser These. Doch schon bei diesen beiden frühesten Stücken zeigt ein genauer Vergleich der Melodien, dass die Tenores der beiden Versionen des gleichen Stückes von den Melodieformen der frühesten Messen weiter entfernt sind als die Melodie im älteren neapolitanischen Manuskript.

Im Vortrag soll es darum gehen, den Extraktionsprozess aus der mehrstimmige Vorlage bzw. den mehrstimmigen Vorlagen nachzuverfolgen und zu untersuchen, wie verschiedene einstimmige »Vorlagen« entstehen, die oft deutlich voneinander abweichen. Das Ergebnis soll mit den diversen Vorlage-Versionen verglichen werden, von denen in der Fachliteratur ausgegangen wird, angefangen von Lexikoneinträgen bis hin zu Aufsätzen und kritischen Ausgaben.