Musik vor 1600 - 2017_wise_schellmann
19. Januar 2018, 14:30 Uhr
Adelheid Schellmann M. A.
(Musikwissenschaftliches Institut, Universität Münster)

Zyklische Vertonungen von Petrarcas Mariencanzone (1548–1655)

Die Mariencanzone (»Vergine bella«) ist mit ihren elf Strophen einer der längsten Texte aus Francesco Petrarcas Gedichtband Canzoniere. Beginnend mit Guillaume Dufays Vergene bella gab es mehrere Vertonungen einzelner Canzonenstrophen, bis 1548 Cipriano de Rores zyklische Vertonung erschien, wenn auch zunächst unvollständig. In den folgenden gut hundert Jahren entstanden weitere zyklische Vertonungen, von denen zehn erhalten sind (u.a. von Alfonso Ferrabosco Il Vecchio, Francesco Portinaro, Giovanni Matteo Asola, Giovanni Pierluigi da Palestrina und Ippolito Baccusi). Der Vortrag befasst sich mit der Frage, in welchem Verhältnis diese jüngeren Vertonungen zu dem mutmaßlichen Modell Cipriano de Rores stehen, dessen Kompositionen nach seinem Tode 1565 weiterhin nachgedruckt wurden und für viele jüngere Komponisten Vorbildcharakter hatten. Jeder Komponist, der in der fraglichen Zeit die Mariencanzone vertonte, kannte zum einen mit Sicherheit de Rores Vertonung und musste sich zum anderen daran messen lassen. Gibt es also in den jüngeren Vergine-Zyklen bewusste Bezugnahmen auf de Rore im Sinne einer imitatio und wie lassen sich diese von Stil- und Gattungskonventionen unterscheiden?