Die Etablierung des Luthertums bedeutet für die kirchliche Musikpflege eine Reform, die einerseits Kontinuität zum vorreformatorischen Repertoire anstrebt und andererseits über theologische Anpassung von Textgrundlagen und Pflege zeitgenössischen protestantischen Repertoires eine Neuausrichtung ermöglicht. Legitimiert wird das lutherische Repertoire durch seine Verankerung in der musikalischen Tradition ebenso wie durch den Anspruch bibelgemäßen kulturellen Handelns. Das hierin deutlich werdende musikalische Traditionsverhalten und -verständnis der Lutheraner und die Funktion der Musik als Trägerin von Traditionsbindung und -konstruktion wird anhand von Falluntersuchungen zum lutherischen Repertoire im norddeutschen Raum diskutiert. Präskriptive und deskriptive Textquellen zur Musikpflege und zum Musikverständnis reflektieren das musikalische Selbstverständnis der Protestanten und zeigen ein bewusstes Traditionsverhalten durch das Medium der Musik. Dabei steht die Bedeutung der Musik als Element der Konstruktion von Tradition, das in Wechselwirkung zur theologischen und historiographischen Begründungen der neuen Konfession steht und autorisierende sowie identitätsstiftende Wirksamkeit entfaltet, im Fokus.