Musik vor 1600 - 220722_beroun
22. Juli 2022, 12:30 Uhr
Raphaela Beroun M. A.
(Institut für Musikwissenschaft, Universität Wien)

Machtsicherung, Seelenheil und Memoria
als Movens marianischer Musikproduktion am Hof Kaiser Maximilians I.


Bereits mit der Planung und Entstehung der memorialkulturellen Monumente zu Lebzeiten Kaiser Maximilians I., die uns heute unter dem Begriff »Gedechtnus« bekannt sind, setzt eine Mythologisierung der Person Maximilians ein, die selbst Jahrhunderte nach dessen Tod noch immer Bestand hat. Die in diesen Werken auffällige Marienfrömmigkeit wird dabei heute in der Forschung traditionellerweise als Phänomen der Zeit abgetan und auf Maximilians Todeskult und ausgeprägte Sorge um das eigene Seelenheil reduziert. In jüngerer Zeit sind jedoch zahlreiche Arbeiten in verschiedenen Fachdisziplinen erschienen, die diese (Marien-)Frömmigkeit nunmehr weniger als private Neigung, sondern als kollektive Praxis betrachten. Sie, die Marienfrömmigkeit, wird in einem komplexen Netzwerk, das sich um Maximilian spinnt, kreiert, politisch instrumentalisiert, zu Memoriazwecken genutzt und manifestiert sich u. a. musikalisch. Dies These soll anhand des Motettendrucks, dem »Liber selectarum cantionum« (Augsburg 1520), fruchtbargemacht werden: Es besteht die Vermutung, dass der »Liber selectarum cantionum« – mit Blick auf das Repertoire, das Entstehungsumfeld und die beteiligten Mitgestalter und Unterstützer – neben der Absicht der Machtsicherung der Habsburger, vor allem das Seelenheil des jüngst verstorbenen Kaisers sowie aller am Druck beteiligten Personen verfolgt.