Musik vor 1600 - 220722_luettin
22. Juli 2022, 10:00 Uhr
Roman Lüttin M. A.
(Musikwissenschaftliches Seminar, Universität Heidelberg)

»Ainer das padrem, Ainer das gloria«
Kollaboratives Komponieren in der frühen Neuzeit

Wie zuletzt Nicole Schwindt und Esther Dubke in Studien zur Musik am Hof des römisch-deutschen Kaisers Maximillians I. (2012ff.) sowie zur Wittelsbacher Kantorei um Orlando di Lasso (2021) gezeigt haben, herrschen an frühneuzeitlichen Musikinstitutionen bisweilen Werkstatt-ähnliche Produktionsbedingungen. Gerade im Umfeld von Hofkapellen mit hohen Produktionsfrequenzen scheinen – analog zu den Malerwerkstätten der Renaissance – mehrere Individuen im Verbund gearbeitet und komponiert zu haben. Im Vortrag sollen anhand ausgewählter Institutionen aus dem deutsch- und italienischsprachigen Raum zunächst verschiedene Motivationen und Modelle gemeinschaftlichen Komponierens vom späten 15. bis zum frühen 17. Jahrhundert erörtert werden. Dabei rückt die Kategorie musikalischer Autorschaft in den Fokus, die für die frühe Neuzeit als dynamisches Phänomen und mithin als miteinander geteilte Praxis aufgefasst wird. In einem zweiten Schritt sollen sodann Arbeitsquellen vorgestellt werden, in denen sich proto-schöpferische Aktionen als gemeinsame Lern- und Übungserfahrungen mehrerer Schreiber dokumentieren. Ziel ist, Praktiken des geteilten Arbeitens an Musik nachzuspüren, die Komponisten sowohl für eigene Arbeiten als auch für Kollaborationen produktiv machen konnten.