Die anonyme Motette »Ecce odor filii mei«, überliefert in D-Mbs Mus. Ms. 77, ist eines von vielen Beispielen für Repräsentationsmusiken in der Renaissance. Sie wurde von Franz Flori – einem der Hauptschreiber Orlando di Lassos – kopiert und fand vermutlich in der Münchner Jesuitenkirche St. Michael Verwendung. Hinsichtlich ihrer mutmaßlichen Entstehungszeit (zwischen 1566 und 1588) weist die Komposition mit einem Ostinato-Tenor in Kombination mit der soggetto cavato-Technik jedoch durchaus bemerkenswerte kompositorische Merkmale auf. Der Vortrag untersucht, wie diese kompositorischen Verfahren einerseits spezifische Bedeutungsdimensionen der Motette konstituieren und gleichzeitig größere Entwicklungslinien der Renaissance-Musik reflektieren. Es werden die möglichen Funktionen dieser musikalischen Elemente in einem zeremoniellen Kontext und denkbare Kompositionsanlässe diskutiert. Am Beispiel von Ecce odor filii mei soll schließlich die Rolle der Musik als Medium politischer Repräsentation und Kommunikation im späten 16. Jahrhundert beleuchtet werden.